Schäme dich nicht!

Dirk de Pol, 4. Oktober 2019

Mentale Gesundheit

Wir alle schämen uns hin und wieder, auch noch als Erwachsene. Unser Schamgefühl hat mit unserem Glauben zu tun, das andere wohl von uns halten. Letztlich steckt dabei unser Bedürfnis nach Akzeptanz, Liebe und Zugehörigkeit dahinter. Wir sind als Menschen einfach auf die Gemeinschaft mit anderen angewiesen. Schon vor zehntausend Jahren lebten wir im Gruppenzwang. Nur wer zur Gruppe gehörte, konnte in ihr einen Schutz vor Bedrohungen erhoffen. Isoliert und ausgestoßen sind wir nicht nur ungeschützt, sondern leiden auch emotional darunter.

Wenn wir das Gefühl haben, den Anforderungen der Gruppe nicht gerecht zu werden, schämen wir uns. Es ist fast wie ein Totstellreflex aus Angst vor dem bedrohlichen Ausstoß aus der Gruppe. Wenn wir glauben, etwas falsch gemacht zu haben, reicht plötzlich nicht mehr, wer wir sind oder was wir sind. Wir glauben dann, dass wir durch unser Fehlverhalten nicht länger Anerkennung und Liebe verdient haben. Dieser Mangel an Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl entsteht nicht zuletzt genau dann, wenn wir nicht glauben, dass wir als Mensch einen unabänderlichen und unbedingten Wert haben, sondern dieser von äußerlichen Maßstäben einer Gruppe abhängt, die wir besser erfüllen sollten.

Der Zusammenhang von Scham und Selbstwertgefühl wird besonders dann sehr deutlich, wenn wir uns zum Beispiel zu sehr mit unseren Handlungen oder unserer Arbeit identifizieren und darüber auch unseren Selbstwert (!) definieren. Hagelt es dann Kritik, machen wir dann den Fehler, diese auch direkt auf uns selbst zu beziehen. Wir trennen dann einfach nicht mehr den Wert unserer Handlung oder Arbeit von unseren Selbstwert, den wir ja völlig unabhängig davon haben. Daher fürchten wir uns dann natürlich vor Kritik und Ablehnung und wenn es dann dazu kommt, schämen wir uns.

Scham ist aber in unserer modernen Gesellschaft schon lange ein eher schädliches Gefühl. Aus Angst vor Scham und Ablehnung versuchen wir vieles erst gar nicht und ziehen uns so immer zurück. Aus Angst kritisiert zu werden und dann in Scham zu versinken, beobachten wir das Leben der anderen lieber unbeteiligt aus sicherer Distanz und sei es nur auf einem unserer Bildschirme.

Tatsächlich sabotieren wir uns mit unserem Schamgefühl selbst. Es nimmt uns das Vertrauen, dass wir uns, unsere Fähigkeiten und Leistungen noch verbessern können. Selbstverständlich erfüllt Scham auch eine gesellschaftliche Funktion. Doch in Zeiten, in denen es den meisten an Selbstwertgefühl und Selbstvertrauen mangelt, wirkt sie sich eher negativ und destruktiv auf unser Leben aus.

Sich hin und wieder zu schämen, ist zwar unvermeidlich und auch natürlich – dass sich das Schamgefühl aber so massenhaft und schamlos in unserer Gesellschaft breit gemacht hat, zeigt nur, dass wir es mit permanenten Bewertungen und Vergleichen mit Influencern aller Art deutlich übertrieben haben.

Dieser Artikel handelt von einem Krankheitsbild oder gesundheitlichen oder medizinischen Thema und dient dabei jedoch nicht der Eigendiagnose. Der Beitrag ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte lesen und beachten Sie auch unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen!

DAS SPIEL, BEI DEM ALLES AUF DEN TISCH KOMMT …

… und nichts unterm Teppich bleibt.

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