In rasender Zeit, zu der, was ankommen will, wenn nicht neu sein, wenigstens so erscheinen muß, verlassen sich immer weniger auf eigene Antriebe und Ideen. Bücher, CDs, Videos, Software, Zeitungslayouts und Artikel, Firmen- und Produktlogos werden wild kopiert, bis hin zum Erscheinungsbild eines Fernsehsenders, wie Pro 7 gerade zeigt. Kreative bemühen sich deshalb immer wieder, ihre Einfälle und Werke zu schützen. Der oberste amerikanische Gerichtshof etwa entscheidet gerade über mehrere Klagen gegen mögliche Copyrightverletzungen im World Wide Web, einer Art graphischer Benutzeroberfläche, die aus Home-Pages besteht und erlaubt sich im Internet per Mausklick zu bewegen. Viele, die dort eine Institution errichten oder werben möchten, wollen auf einen Wiedererkennungseffekt nicht verzichten, der durch die Nachahmung der graphischen Gestaltung ihrer Seiten gemindert werden könnte. Deswegen wird das Ad- und Home-Page-Busting in diesem noch neuen Bereich nicht gerne gesehen. Formen anderer Art will der Berliner Mario Koss schützen lassen. Gerade vor drei Jahren noch mit einer Laubsäge, heute mit eigener Firma und einem speziell für diesen Zweck entwickelten Lasergerät schneidet der findige Jungunternehmer den äußeren Rand von Musik-CDs, der keine Informationen enthält, werbewirksam zu. Ob für eine CD von Coca-Cola die Form einer Dose, für McDonald´s die eines Hamburgers oder für die Greatest Hits von Queen ein Q: über 1000 Formen sind dabei im Angebot.
Da die Konkurrenz nicht schläft, wollen sie rechtlich geschützt sein. Darum kümmert sich der Patentanwalt des Unternehmens mit Millionenumsatz. Ein aussichtsloses Unterfangen? In der Gentechnik malt schon lange zuerst, wer zuerst kommt. Hier wird nicht er- sondern gefunden. So hat der Laborleiter Jeffrey Friedman das Gen entdeckt und zum Patent angemeldet, das für Fettsucht verantwortlich ist. Die New Yorker Rockefeller-Universität zahlte vier Millionen Dollar dafür und verkaufte es dann für dreizehn Millionen an die Pharmafirma Amgen weiter. Schließlich wären die damit vielleicht herstellbaren Appetitzügler soviel wert wie eine Lizenz zum Gelddrucken.
Wie phantastisch auf diesem Markt die Frage des Urheberrechts ist, zeigt auch die Geschichte des Amerikaners John Moore. Sein Arzt David W. Golde hat seinem Namen alle Ehre gemacht, als er einen mutierten, aber sehr effizienten neuen Abwehrstoff in der Milz von Moore fand, als Erfindung patentieren und dann von einer Genfirma für 3 Millionen Dollar “vergolden” ließ. Der eigentliche “Urheber” Moore ging leer aus. Muß sich also jeder, der Blut-, Urin- und andere Proben seines Könnens gibt, seine Rechte an den darin enthaltenen Erfindungen schriftlich bestätigen lassen? Schon die Softwarefirma Lotus, deren Produkte oft kopiert wurden, argumentierte, dass Software genau wie ein literarisches Werk dem Urheberrecht als Ganzes unterliegt. Sollte das nicht erst recht für die Programmiersprache DNS und alle in ihr geschriebenen Programme gelten? Doch da sie uns wie nichts zuvor alle betreffen, dürfen nicht einige alle Rechte an ihnen halten.
Zurst erschienen 1995 in Frankfurter Rundschau