Sterben lernen

Dirk de Pol, 28. September 2018

Mentale Gesundheit

Auf Instagram, Facebook und Tinder deckt sich für uns ein nie leer werdender Tisch, dessen Leckereien Hungrige und Orientierungslose aller Art in eine Trance versetzen. Aufregend vielfältiges und natürlich gesundes Frühstück, HIIT-Challenge, Bilder kreativer Arbeit, von Entdeckungsreisen, das Ganze gigantisch bestaunt von der ebensolchen Zahl der Follower, die nur selten wirkliche Freunde sind. Inszenierte Illusionen eines erfolgreichen Lebens verfolgbar und transparent bis zur Nichtigkeit – eigentlich. Erkennen wir diese nicht und bleiben ganz in der Illusion gefangen, so saugt uns diese aus, bis wir uns nur noch zu kurz gekommen und vergleichsweise uninteressant finden. Das permanente Bombardement mit Idealen und Statusgütern durch die Werbung macht das Ganze noch schlimmer.

Als Sahnehäubchen kommt noch dazu, dass nicht einmal das was, wir heute haben, wirklich sicher ist: Insolvenzen, feindliche Übernahmen, Mergers, Terroranschläge, Digitalisierung, CRISPR Gen-Editing, 5G Apokalypse, Klimakatastrophe und so weiter. Alles steht tatsächlich auf dem Spiel. Wenn du aus deinem Wohnzimmerfenster das Gewitter beobachtest und du siehst, wie in einer Minute zwölfmal der Blitz vor deinen Augen einschlägt, weißt du schlagartig, dass etwas kommt und das es nicht gut ist.

Wir leben zugleich in einer Zeit der unendlichen Möglichkeiten, Transformationen und des Endes, dessen Ausgang eigentlich nur in Details ungewiss ist. Wir sind zu viele, wir tun das Falsche und sind mit all unserer Systemen nicht in der Lage, die Grundlagen unserer menschlichen Existenz zu sichern: Lemminge eben.

Aber was tun wir angesichts des Überangebots an Möglichkeiten, angesichts des drohenden Verlustes und Endes, falls wir das überhaupt wahrnehmen oder – noch wichtiger – überhaupt wirklich als konkrete Bedrohung empfinden können? Kehren wir um? Wirken wir entgegen? Halten wir das für ohnehin aussichtslos und tanzen damit quasi gerechtfertigt weiter lustvoll auf der Titanic?

Bleiben wir in der Abwärtsspirale der Vergleiche, des Konsums und der daraus resultierenden Ausgrenzung? Gehen wir für uns, unsere Kinder und Zukunft auf die Straße, protestieren, rebellieren und sabotieren? Oder lernen wir einfach als Menschheit zu sterben, idealerweise möglichst lustvoll. Oder ist es eine gewiefte Kombination von alledem? Oder übersehen wir einfach nur einen anderen Ausgang?

Dieser Artikel handelt von einem Krankheitsbild oder gesundheitlichen oder medizinischen Thema und dient dabei jedoch nicht der Eigendiagnose. Der Beitrag ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte lesen und beachten Sie auch unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen!