Emotionale Schnittstellen

Dirk de Pol, 8. Januar 2018

Kultur, Mentale Gesundheit

Was könnte uns weniger überraschen als ein Text, den wir nicht verstehen? Haben uns doch die großen Werke der modernen Literatur gelehrt, dass sie unverständlich und fremd erscheinen müssen, denn so ist er nun einmal: der Zustand unserer Welt. Aber alles hat seinen Ort. Wer ist zum Beispiel schon bereit, die überquellende Funktionsvielfalt elektronischer Geräte oder die dunklen Wortfolgen ihrer Bedienungsanleitungen als Symbol der Undurchschaubarkeit der technischen Welt zu würdigen? Oder wer hat schon die Zeit, Software-Handbücher zu deuten, die nicht selten den Umfang der Bibel übertreffen und zu allem Überfluß jährlich in neuen Versionen erscheinen?

So erscheint die Technik heute als Wunder. Ihre Komplexität ist zu einem Schreckgespenst geworden. Fast niemand glaubt mehr, sie verstehen oder beherrschen zu können. “Reduzieren und Vereinfachen!” lautet daher das Motto. Knöpfe und Oberflächen verbergen gnädig den bedrohlichen Abgrund komplexer Technik. Das Interface-Design mußte so zur eigenen Wissenschaft werden. Gegenwärtig bereitet sie die langsame Entwöhnung von unserer liebgewonnenen Maus vor. Denn das effektive Interface der Zukunft soll affektiv sein.

Unter dem neuen Stichwort “Affective Computing” wird ein Personal Computer in Aussicht gestellt, der dank einer nun bald auch “emotionalen” Intelligenz wirklich persönlich ist. Man darf sich darunter ein Biofeedback-System vorstellen wie es etwa schon als Hilfsmittel in der Therapie für Epileptiker Einsatz findet. Ein solches System registiert anhand von Gehirnströmen, Hautspannung und Pulsfrequenzen einen nahenden Anfall und hilft, ihn durch Konzentrationsübungen abzuwenden. Ein vergleichbares, körpernah getragenes Interface wird nicht lange brauchen, um den Massenmarkt zu erobern. Nach einer gewissen Trainingsphase kann es sinkende Aufmerksamkeit oder Streßsymptome erkennen. Ob in Anwendungs-, Unterrichtssoftware oder Spielen – Benutzerführung und Aufgaben können damit unbemerkt den Leistungen entsprechend angepaßt werden. Versüßt von individuellem Lob und Tadel fürsorglicher Computer wird die Arbeit, das Lernen, und das heißt auch die Erziehung der Zukunft, einfach zum Kinderspiel …

Dieser Artikel handelt von einem Krankheitsbild oder gesundheitlichen oder medizinischen Thema und dient dabei jedoch nicht der Eigendiagnose. Der Beitrag ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte lesen und beachten Sie auch unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen!

DAS SPIEL, BEI DEM ALLES AUF DEN TISCH KOMMT …

… und nichts unterm Teppich bleibt.

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