Das Konstrukt der normalen Persönlichkeit

Dirk de Pol, 23. Januar 2020

Mentale Gesundheit

Persönlichkeitsstörungen sind Funktionsstörungen unserer gesamten Identität, Risse im Gefüge dessen, was wir sind. Sie sind allgegenwärtig, weil unsere Persönlichkeit allgegenwärtig ist und jede einzelne unserer psychischen Zellen durchdringt. Ich habe gerade den ersten Artikel zu diesem Thema mit dem Titel „Was ist Persönlichkeit?“ veröffentlicht. Lesen Sie ihn, um die subtilen Unterschiede zwischen „Persönlichkeit“, „Charakter“ und „Temperament“ zu verstehen.

Im Hintergrund lauert die Frage: Was macht normales Verhalten aus? Wer ist normal?

Es gibt die statistische Antwort: der Durchschnitt und das Gewöhnliche sind normal. Aber sie ist unbefriedigend und unvollständig. Die Einhaltung von gesellschaftlichen Erlassen und Sitten garantiert keine Normalität. Denken Sie an anomische Gesellschaften und Zeitabschnitte der Geschichte wie Hitler-Deutschland oder Stalin-Russland. Vorbildliche Bürger in diesen höllischen Umgebungen waren die Kriminellen und Sadisten.

Anstatt nach einer klaren Definition nach außen zu suchen, fragen viele psychiatrische Fachkräfte: Ist der Patient funktionsfähig und glücklich (ego-syntonisch)? Wenn er oder sie beides ist, dann ist alles gut und normal. Anormale Eigenschaften, Verhaltensweisen und Persönlichkeiten sind daher definiert als jene Eigenschaften, Verhaltensweisen und Persönlichkeiten, die dysfunktional sind und subjektives Leid verursachen.

Aber das fällt natürlich bei der geringsten Prüfung auf den Tisch. Viele offensichtlich psychisch kranke Menschen sind eher glücklich und einigermaßen funktionstüchtig.

Einige Wissenschaftler lehnen das Konzept der „Normalität“ gänzlich ab. Die Anti-Psychiatrie-Bewegung wendet sich gegen die Medikalisierung und Pathologisierung ganzer menschlicher Verhaltensweisen. Andere ziehen es vor, die Störungen selbst zu studieren, anstatt „metaphysisch“ zu werden, indem sie versuchen, sie von einem imaginären und idealen Zustand des „geistig Gesunden“ zu unterscheiden.

Dieser Artikel handelt von einem Krankheitsbild oder gesundheitlichen oder medizinischen Thema und dient dabei jedoch nicht der Eigendiagnose. Der Beitrag ersetzt nicht eine Diagnose durch einen Arzt. Bitte lesen und beachten Sie auch unseren Hinweis zu Gesundheitsthemen!

DAS SPIEL, BEI DEM ALLES AUF DEN TISCH KOMMT …

… und nichts unterm Teppich bleibt.

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